Was bedeutet es, wenn Sie von einem ganzheitlichen Ansatz der Naturheilkunde sprechen, Frau Helle?

Eva Helle, Naturheilpraxis München-WaldtruderingDie ganzheitlichen Therapieverfahren gehen vom Zusammenhang zwischen Körper und Seele aus. Dieser Denkansatz liegt vielen Naturheilverfahren, Körper- und Psychotherapien zugrunde. Ein psychischer Konflikt kann sich demzufolge somatisch, das heißt über Körpersymptome äußern, wie sich z.B. Aufregung vor einer Prüfung in Appetitlosigkeit, Magenschmerzen („auf den Magen schlagen“) oder Durchfall zeigen kann.

Aber nicht nur kurzzeitige Belastungen werden über den Körper abreagiert, auch lang anhaltende seelische Konflikte können sich in Krankheiten niederschlagen.

 

Können Sie ein Beispiel nennen?

Die Chinesische Medizin ordnet unter diesem Gesichtspunkt in ihrer Organlehre jedem Organ entsprechende Gefühle zu, was in der Psychokinesiologie nach D. Klingenhardt weiter entwickelt wurde. Die Leber ist z.B. das Organ des Ärgers – so kennen wir auch den Ausdruck: „Mir ist eine Laus über die Leber gelaufen“ oder bei Wut, dem Gefühl, das der Galle zugeordnet wird, sagen wir: „Mir geht die Galle über.“

Jahre- oder gar jahrzehntelang unterdrückter Ärger kann aus dieser Sicht das Entstehen von Lebererkrankungen begünstigen. Unter naturheilkundlichem Aspekt ist eine Lebererkrankung nicht erst mit einer Leberzirrhose, Fettleber oder Hepatitis gegeben, sondern besteht bereits bei Leberfunktionsschwäche, die den Stoffwechsel empfindlich beeinträchtigen kann.

Denn die Leber ist das größte Stoffwechselorgan des Körpers, sie ist maßgeblich an der Produktion von Verdauungssäften, von Enzymen, Eiweißen, Hormonen, Neurotransmittern, Immunglobulinen und vielen weiteren Stoffen beteiligt und ist für den Abbau der Giftstoffe im Körper verantwortlich. Kein Wunder, dass es zu Dysbalancen in anderen Organen oder Funktionskreisläufen kommen kann, wenn die Leber geschwächt ist und sich ihre Zellen nicht wie erforderlich erneuern.

 

Gilt dies nur für die Leber oder auch für andere Organe?

Weitere Beispiele für den Organbezug von Gefühlen: Der Darm steht für seelische Themen rund um das Loslassen, und die Blase symbolisiert das Meer der Gefühle, insbesondere auch die „ungeweinten Tränen“. Leber und Darm sind zentrale Organe bei meiner Diagnosefindung, da sie bei fast allen Erkrankungen mitbeteiligt sind, ob es sich um so unterschiedliche Krankheitsbilder wie Allergien oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten, um Hautkrankheiten, Stoffwechselstörungen,Gelenkserkrankungen mit Störungen des Säure-Basen-Haushalts und des Mineralstoffhaushalts oder um eine Immunschwäche handelt.

 

Warum macht denn ein solcher Ansatz für Patienten Sinn?

Das Ansprechen des psychischen Aspekts einer Erkrankung kann manchmal schon ausreichen, um dem Patienten einen Anstoß zu geben, den Zusammenhang zwischen Lebens- und Denkgewohnheiten einerseits und dem Körpersymptom andererseits zu sehen und kann eine Veränderung einleiten. Andere Patienten wiederum schätzen grundsätzlich eine Unterstützung der Psyche, sei es durch pflanzliche und/oder mineralische Mittel oder durch psychotherapeutische Begleitung.

 

Wie passt denn hier das so genannte Familienstellen dazu, das keine naturheilkundliche Therapie im engeren Sinn darstellt?

Das Familienstellen bietet eine hilfreiche Intervention, um Energie- und Therapieblockaden zu lösen. Je nach Tiefe der Blockade kann Aufstellungsarbeit im Abstand von einigen Wochen über mehrere Monate lang zu tief greifenden Verbesserungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens führen. Auch die Psychokinesiologie, – je nach Bedarf sind zwischen 1 und 5 Sitzungen empfehlenswert, – kann einen körperlichen Heilprozess auf der seelischen Ebene intensivieren und beschleunigen. Bei bestimmten Krankheitsbildern ist eine psychotherapeutische Begleitung grundsätzlich sinnvoll, wie z.B. bei Depressionen, beim Burnout- oder chronischem Müdigkeits-Syndrom, da diese Erkrankungen mit einem Energie zehrenden Prozess einhergehen, dessen Ursache im Unbewussten liegt.

 

Worin besteht der Unterschied zwischen einer Einzelaufstellung in Ihrer Sprechstunde und einer Aufstellung in der Gruppe bei einem Seminar?

Der Unterschied besteht in der Art der so genannten Repräsentanten: Während die Gruppensituation es ermöglicht, dass Gruppenteilnehmer als Repräsentanten für Personen oder Gefühle oder Systeme über die Rückmeldung ihrer aktuell empfundenen Gefühle zu einer Klärung und Lösungsfindung beitragen, arbeite ich in der Einzelsitzung mit dem Patienten mithilfe von Holzfiguren. Gemeinsam betrachten wir die Relation der Figuren zueinander, so, wie der Patient sie spontan auf dem Tisch aufgestellt hat: wer blickt wohin, stehen die Figuren miteinander in Beziehung, fehlt jemand und so fort.

Der Kompass für meine Fragestellung ist bei dieser Arbeit die aktuelle Gefühlslage des Patienten, die sich während dieser Arbeit einstellt: hat er kalte Hände oder Füße, spürt er Beklemmung im Brustbereich oder Magen, stellen sich Rückenschmerzen oder Nackenschmerzen ein, ist plötzlich ein Druck im Kopf spürbar, merkt er ein Kribbeln, wenn ja, ist es ein Kribbeln, welches sich lebendig anfühlt oder macht es eher Angst oder hat es die Qualität, als würde etwas auftauen – , sind ihm diese Gefühle vertraut oder nicht, falls ja, aus welcher Situation und so fort. Die Gefühle des Patienten werden von mir behutsam und detailliert abgefragt, denn sie sind Wegweiser für die Lösungsfindung in der Einzelsitzung.

 

Sind diese Therapieangebote nicht von der Naturheilkunde völlig losgelöst?

Nein, denn auch bei psychischen Symptomen kann die Abklärung des Einflusses von körperlichen Mangelzuständen sehr hilfreich sein. Gerade auch Stressbewältigung und Burn-out-Syndrom lassen sich gut aus mehreren Ansätzen heraus behandeln, die einen optimalen Synergieeffekt bilden: auf der seelisch-energetischen Ebene durch psychotherapeutische Behandlung, auf der körperlichen Ebene durch die Unterstützung der Organe und Funktionskreisläufe mit naturheilkundlichen Verordnungen und manuellen Anwendungen.

Außerdem gibt es viele Mittel, die sowohl auf der psychischen wie auch auf der körperlichen Ebene wirken, z.B. Magnesium: Es ist bekannt, dass der Körper in Stresssituationen über den Urin vermehrt Magnesium ausscheidet – eine Wirkung der erhöhten Stresshormone im Blut. Andererseits löst ein Magnesiummangel eine gesteigerte Produktion von Stresshormonen aus, wodurch eine Übererregbarkeit des Nervensystems ausgelöst wird sowie ein noch stärkerer Magnesiumverlust – ein circulusvitiosus. Wenn man darüber hinaus bedenkt, dass eine unausgewogene Ernährung einen Magnesiummangel begünstigt, dass Magnesium der Mineralstoff ist, der bei den meisten Enzymbildungen im Körper benötigt wird, dann ist nachvollziehbar, dass ein Magnesiummangel eher alltäglich als die Ausnahme sein kann.

Selbst wer sich vollwertig ernährt, ist im Hinblick auf Magnesium nicht auf der sicheren Seite, denn Vollkornprodukte enthalten neben Magnesium auch Phytate, die wegen ihrer Komplexbildung die Verfügbarkeit von Magnesium einschränken. Fehlende seelische Belastbarkeit, nervliche Gereiztheit, Schlaflosigkeit, und selbst ADHS oder ADS können in vielen Fällen durch richtig dosierte Magnesiumgaben deutlich vermindert oder gar behoben werden.

 

Spielen außer Magnesium noch andere Mineralstoffe hierbei eine zentrale Rolle?

Ja, in diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die Bedeutung von Zink bei ADHS und bei ADH hinweisen: Zink wird für die Produktion der Neurotransmitter wie Serotonin und Melatonin benötigt und ist Bestandteil wichtiger Enzyme in der Gehirnregion. Grundsätzlich kläre ich also zunächst ab, ob psychische Symptome Ausdruck eines biochemischen Ungleichgewichts sind, welche sich durch die Substitution des oben erwähnten Mineralstoffs Magnesium und des Spurenelements Zink oder durch die Gabe weiterer Mineralstoffe, oder Vitamine und Aminosäuren oder Schüssler-Salze behandeln und beheben lässt. Das Ineinandergreifen von Psyche und Körper stellt sich also, zusammenfassend gesagt, in meiner Praxis so dar, dass ich bei psychischen Symptomen zunächst „stoffliche Ursachen“ abkläre und bei Mangelzuständen substituiere, und dass ich bei körperlichen Symptomen psychische Aspekte und Themen anspreche und bei Bedarf eine Bearbeitung anbiete. Denn nicht immer ist eine Substitution von Stoffen, an denen es dem Körper mangelt, ausreichend, wenn dauerhafte ungelöste seelische Prozesse zu chronischen Energieräubern werden.

Eine homöopathische Behandlung kann u.U. eine Erstverschlimmerung der Symptomatik auslösen. Deshalb ist die Wahl der Dosierung und der Stärke, in der Homöopathie auch Potenz genannt, nicht unwesentlich. Der homöopathische Ansatz ist bei einer augenfälligen Verschiebung der Symptomatik viel versprechend: wurden z.B. in der Kindheit die Mandeln entfernt, kann es in der Pubertät zu Allergien kommen. Im Erwachsenenalter entstehen dann möglicherweise Hautkrankheiten, nachdem die Allergien „schulmedizinisch“ z.B. durch eine Desensibilisierung behandelt wurden. Die homöopathische Behandlung kann zu einer tiefen Ausheilung der unterdrückten und sich in der Folge verlagerten Symptome führen. Auch bei nachgewiesenen Erregern – mittels der Bioenergetischen Blutanalyse – bewährt sich eine homöopathische Behandlung in Form von Nosoden: der Körper erhält den Anstoß, die Erreger auszuscheiden.

 

Gibt es naturheilkundliche Basistherapien, mit denen Sie bei jedem Patienten, egal welche Probleme ihn zu Ihnen führen, beginnen?

Ja: Grundlage fast jeder Behandlung bilden in meiner Praxis sowohl die Ausleitung von Giftstoffen aus dem Körper und damit verbunden die Stärkung von Leber, Niere und Lymphsystem, als auch die Sanierung der Darmflora. Dadurch wird grundsätzlich das Immunsystem gestärkt. Außerdem kommen diese Maßnahmen allen Erkrankungen des allergischen Formenkreises, der Haut, des Verdauungstraktes und des Bewegungsapparates zugute.

 

Und wie fahren Sie fort?

Als Behandlung wähle ich in Absprache mit dem Patienten Heilmittel entweder homöopathischer, phytotherapeutischer oder enzymatischer Art, in Form von Tropfen, Tabletten oder Kapseln. Manuelle Therapien wie Lymphdrainage, Fußreflexzonenmassage oder medizinische Massage wirken unterstützend, belebend und entspannend auf die seelischen und körperlichen Ausleitungs- und Heilprozesse.

Die Magnetfeldtherapie wende ich gerne an bei allen Erkrankungen, deren Heilung wesentlich von einer optimierten Sauerstoffversorgung der Körperzellen abhängt. Bei Tinnitus z.B. gibt es gute Erfolge mit Magnetfeldtherapie, bei Migräne, aber auch besonders bei Gelenkerkrankungen und allen Erkrankungen oder Funktions-schwächen des Gefäßsystems, der Arterien, der Venen oder auch der Lymphe.

 

Welchen Hintergrund haben Ihre Stress-Bewältigungs-Seminare? Können Sie dies etwas näher erläutern?

Mein Angebot zur Stressbewältigung setzt sich aus Aufstellungsarbeit und naturheilkundlicher Unterstützung zusammen. Dabei richte ich mich an Menschen, gleichermaßen Männer wie Frauen, denen die Zunahme von Stressoren im beruflichen oder/und privaten Kontext spürbar deutlich ist und die bereits deswegen an gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden, oft Vorboten eines Burn-out-Syndroms, z.B. Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen, Verstimmungszustände, hormonelle Störungen, Bluthochdruck, abnehmende seelische und körperliche Belastbarkeit, Verdauungsstörungen, Rückenschmerzen, um nur einige zu nennen. In meinem 3-Tages-Seminar erhalten die Teilnehmer Gelegenheit, die Ursache ihrer inneren Bereitschaft, sich stressen zu lassen, zu erkennen. Dadurch kann sich das Verhalten grundlegend verändern, Abgrenzung zu Stressoren wird möglich.

Krankheiten, die aufgrund von Stress-Situationen entstehen, gibt es aus meiner Sicht schon lange. Im vorigen Jahrhundert war es die so genannte Nervosität, dann kam das chronische Müdigkeits-Syndrom (CFS), schließlich löste die Depression als Ausdruck von Überlastung das CFS ab, inzwischen ist der Begriff des „Burn-out“ eingeführt, die Bezeichnung für übergreifende Symptome seelischer und körperlicher Art, welche durch Stress verursacht werden. Gemeinsam ist all diesen Krankheiten, dass sie oft mit einem bewussten oder unbewussten Gefühl von Scham verbunden sind, weil der Betroffene sich als nicht mehr funktionierend und daher minder leistend und möglicherweise infolge dessen minder liebenswert, nicht mehr „gut genug“ empfindet, von einem schlechten Gewissen geplagt wird, versagt zu haben. Dies ist in vielen Fällen die Ursache dafür, dass nicht rechtzeitig Hilfe in Anspruch genommen wird.

Das Seminar bietet Gelegenheit, mich und meine Arbeitsweise kennen zu lernen, sodass eine weitere Behandlung, die bei der Stressbewältigung und Vorbeugung eines Burn-out-Syndroms und insbesondere bei der Behandlung eines Burn-out-Syndroms auch eine Vertrauensfrage ist, möglich wird. In jedem Fall verhilft das Seminar den Teilnehmern, ihr Krankheitsbild und ihre psychische Bereitschaft, ein Burn-out-Syndrom zu entwickeln, besser zu verstehen und die Weichen für eine Änderung zu stellen.

 

Stellen Sie beim Familienstellen auch nicht-familiäre Probleme oder Konstellationen auf?

Ja, dies ist z.B. der Fall bei Themenaufstellungen, wie z.B. berufliche Fragen oder wenn Entscheidungen anstehen im Hinblick auf Berufs- oder Ortswechsel. Auch, wenn es um persönliche innere Konflikte geht, die nicht direkt erkennbar mit einer Person verbunden sind. So lassen sich z.B. für einen Konflikt zwischen Gefühl und Verstand zwei Repräsentanten aufstellen, einer für das Gefühl, der andere für den Verstand oder ebenso bei einem Konflikt zwischen Liebe und Sexualität je ein Repräsentant.

 

Woraus ziehen Sie Ihre Motivation?

Meine Motivation nimmt von Jahr zu Jahr zu. Dies hängt auch mit meinem persönlichen Lebenslauf zusammen. Ich bin selber erst im Alter von Mitte dreißig zur Naturheilkunde gestoßen. Als Mutter von vier Kindern hat die vorbeugende und sanfte Heilweise, wie sie die Naturmedizin anbietet, damals unserer Familie große Dienste erwiesen, so dass ich mich immer mehr dafür interessierte und eine Ausbildung zur Heilpraktikerin begann. Als Patientin kam ich in diesen Jahren durch unterschiedliche Körpertherapien und durch die Erfahrung eigener Aufstellungen in guten körperlich-seelischen Kontakt mit mir selbst, so dass meine heutige Arbeit als Heilpraktikerin, die ich inzwischen seit 14 Jahren ausübe, auch von persönlicher Erfahrung verbunden mit Selbsterkenntnis begleitet ist.

Eine anderthalbjährige psychotherapeutische qualifizierte Grundausbildung sowie meine inzwischen achtjährige Aufstellungsarbeit und siebenjährige Supervision haben in den letzten Jahren mein Angebot an seelischer Begleitung meiner Patienten vertieft. Die Akzeptanz meines Angebots und die Bereitschaft meiner Patienten, selbst an ihrem Heilprozess mitzuwirken, indem sie ihre Selbstheilungskräfte aktivieren, ist mir täglich neuer Ansporn und motiviert mich, immer besser zu werden.

 

Welche Rolle spielt Ihr Beruf für Sie langfristig in Ihrem Leben?

Es ist mir wichtig, gut auf meine Gesundheit und Weiterentwicklung zu achten, denn ich freue mich darauf, auch im Alter noch meine Praxis führen zu können.

 

Was tun Sie gerne in Ihrer Freizeit?

Mich interessiert gute Literatur, sowohl klassische als auch zeitgenössische, Philosophie, Astrophysik und Malerei. Ich treffe mich gerne mit meinen erwachsenen Kindern oder Freundinnen zum Essen, freue mich, wenn ich mit meinen Enkelkindern spielen oder Ausflüge machen kann und mag es, gemeinsam mit meinem Partner in die Berge zu gehen oder Musik zu hören.

 

Treiben Sie Sport?

Wandern, schwimmen, tanzen.

 

Können wir demnächst mit einem neuen Buch von Ihnen rechnen?

Ja, ich arbeite an meinem achten Buch. Es hat – natürlich – mit Heilung zu tun, mehr verrate ich noch nicht!

 

Wie kontaktiert man Sie am besten?

Per Telefon oder per Email.

München, im Sommer 2011.